Auf den ersten Blick sehen sie aus wie die Kühlbox für den Strand, aber sie stehen auf sechs Rädern und sind mit modernster Technik ausgestattet: Lieferroboter. In den USA und China rollen sie schon autonom über Straßen, und auch in Deutschland gibt es ernstzunehmende Versuche, die selbst fahrenden Kistchen mit Klappdeckel wirtschaftlich nutzbar zu machen. Der Kunde bestellt über eine App auf seinem Handy in einem Supermarkt zum Beispiel Butter, Käse, Schinken, Marmelade und aus der Non-Food-Abteilung zwei T-Shirts und ein Bund Socken. Alle Waren werden in die Box gelegt, die Daten des Kunden eingegeben, und der Lieferroboter macht sich im Schritttempo über Bürgersteige und Bordsteinkanten auf den Weg zur Adresse des Bestellers. Und wenn das T-shirt nicht passt, kann es als Retoure in die Box gelegt werden, landet auf dem Rückweg sicher beim Versender. Tatsächlich ist das keine Utopie mehr!
Gesteuert wird der Roboter über GPS und kann sich in einem Radius von sechs Kilometern bewegen. Durch eingebaute Kameras und Sensoren können die emsigen Lieferanten Hindernisse erkennen und ihnen ausweichen. Auch Fahrradwege und Straßen überqueren sie mit dieser ausgefeilten Technik erstaunlich sicher. Mithilfe ihrer flexiblen Hinterachse meistern sie sogar 15 Zentimeter hohe Bordsteine. Hell leuchtendes LED-Licht sorgt dafür, dass Fußgänger und Radfahrer die kleinen Boxen, die übrigens diebstahlsicher verschlossen sind, schon von Weitem bestens erkennen und ihnen mühelos ausweichen können.
Nun ist diese innovative Technologie natürlich nicht ganz neu. Vor wenigen Jahren noch galt sie vor allem Liefer- und Paketdiensten als höchst zukunftsträchtig. Hamburg war da Vorreiter. Der Paketdienst Hermes, eine Tochterfirma vom in der Hansestadt ansässigen Otto-Versand, ließ die kleinen Roboter mit den Waren gefüllt zu den Empfängern rollen. Und die Pizzakette Domino´s brachte mit den selbstfahrenden Boxen ihre Kreationen zu den Bestellern. Damals folgten ihnen stets Mitarbeiter der Firmen, um helfend einzugreifen, falls mal was schief gehen sollte. Doch nach der mehr monatigen Probeaktion wurde es still um die wie von Geisterhand gesteuerten Fahrzeuge. Die Vision, dass schon bald tausende von selbstständig navigierenden Mini-Lieferanten durch die Stadtteile rollen sollten, galt zumindest als verfrüht.
Doch nun sind die Lieferroboter wieder zurück. Die Firma Starship aus San Francisco bietet Geschäftsleuten in der Nähe ihrer Niederlassung in Hamburg ihre Dienste an. Das Neue: Die autonomen Helfer brauchen nun keine Begleitperson mehr. Neben Paketen und Lebensmitteln können die Lieferroboter auch Medikamente und Blutproben transportieren – gerade in der Corona-Pandemie ein sehr wichtiges Einsatzgebiet. Eine Asklepios Klinik in der Hansestadt macht sie sich zunutze und ist nun deutlich flexibler. Auch Corona-Tests bringt die selbst fahrende Box Personen direkt vor die Haustür und von dort zurück sicher ins Labor.
Vor den Toren Hamburgs, in Lauenburg, wird bereits ein neues Kapitel bei der Entwicklung von Lieferrobotern aufgeschlagen. Dort bringen Forscher der Universität Hamburg einer fahrenden Box bei, wie sie selbstständig unfallfrei in einen Bus rollt ohne Probleme mit den anderen Fahrgästen zu bekommen.
Auch in anderen Teilen der Welt wird zurzeit mit viel Energie daran getüftelt, wie Lieferroboter wirtschaftlich nützlich eingesetzt werden können. So ist der weltgrößte Onlinehändler Amazon gerade dabei, in der finnischen Hauptstadt Helsinki ein weiteres Team aufzubauen, das den eigenen Lieferroboter Scout optimieren soll. Auch andere amerikanische Tech-Unternehmen und chinesische Firmen feilen an ihren eigenen Lösungen in Kooperation vornehmlich mit Paketdiensten.
So will der Logistikkonzern FedEx schon demnächst Fahrzeuge der Roboterfirma Nuro für die Zustellung nutzen. Nuro-Roboter liefern bereits Speisen der Pizza-Kette Domino´s und Waren für die Supermarktkette Kroger rund um Houston in Texas aus.
Der chinesische Konzern Alibaba plant, im kommenden Jahr 1.000 Roboter bereitzustellen, die zunächst auf Universitätsgeländen und in kleineren Wohngemeinden ihre Dienste offerieren sollen. Offenbar wird erkannt, dass Roboter großes Potenzial bieten, traditionelle Lieferkonzepte zu ergänzen. Vor allem für die Lieferung auf der „letzten Meile“ zum Kunden ermöglichen sie es, die bisherigen Prozesse zu automatisieren und nachhaltiger zu gestalten. Denn die kleinen Fahrzeuge sind ein sauberes, ökologisches Transportmittel. Da darf man gespannt sein, ob sie sich mal durchsetzen!
Bert Pflüger, Fachjournalist, Redaktion Food Technologie